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Willkommen in Albanien

Für die 120 Kilometer vom historischen Berati ans Meer nach Saranda benötigt ein regulärer albanischer Bus 7 Stunden. Diesen Bus verpasse ich, weil die Bushaltestelle verlegt wurde. Ich steige daher in ein Furgon, also ein Sammeltaxi, und taste mich zunächst mal zur Küste vor. 60 km, 3 Stunden. In Vlora erwarte ich einen Bus ans Ziel, aber der Bus fährt nur in die Richtung, ich nehme ihn trotzdem in der Ausübung einer Politik der kleinen Schritte. Mein Sitznachbar übergibt sich im Laufe der atemberaubenden, halt auch serpentinenlastigen Küstenfahrt 6 Mal in ein Plastiksackerl, das er bei einem kurzen Stopp, der Busfahrer hat wieder für einen Schwatz mit einem Verwandten angehalten, leidenschaftliche Umarmungen, nonchalant aus der hinteren Tür auf die Straße entsorgt. Bei einem weiteren Halt in einem der vielen zusammengeschusterten Küstenorte in toller Lage steigt mein Sitznachbar aus, läuft in einen Laden mit Allerlei und kehrt mit einem Regenschirm zurück. Leicht erglüht und unruhig kann er die Weiterfahrt nicht erwarten. Der Bus fährt an. Zur gleichen Zeit sprintet der Verkäufer aus seinem Laden und hält den Bus an, er steigt ein, mein Sitznachbar übergibt das Geld für den Regenschirm sofort, der Verkäufer steigt wieder aus. 20 km vorm eigentlichen Ziel werde ich an einer Tankstelle in starkem Regen rausgeworfen, Endstation. Ich frage zwei junge Albaner, ob hier ein Bus nach Saranda fährt, „No.“. Ich rüste mich mit Regenschutz und mache mich auf den Weg, versuche einen der zig Mercedes-Limousinen, Albanien hat die höchste Mercedes-Dichte pro km², anzuhalten – vergebens. 20 Minuten später kommt auf einmal doch ein Bus. Die Albanerin flirtet ungeniert, ich erkämpfe mir einen Preisnachlass fürs Ticket. 5 Kilometer vor meinem Ziel werde ich schon wieder ausgesetzt und schleppe mich zu meinem Hostel, wo ich nach 9 Stunden für 120 Kilometer mehr als herzlich empfangen werde und für 2 EUR köstlich und ausgiebig zu Abend esse. Willkommen in Albanien.

Die beste Bootsfahrt Südostasiens

Fünf Tage vor der erwähnten Horrorfahrt besteige ich im Norden ein Boot, das dann drei Stunden lang den engen, langgestreckten Komansee überquert, der vor 30-40 Jahren in Folge eines Kraftwerksprojekts entstand. In relativ engen Kreisen gilt das hier als eine der schönsten Bootsfahrten der Welt. Ich genieße also auf dem Dach die Panoramen, für die ich einst nach Asien flog, um dort enttäuscht zu werden. Und der entspannte Spaß kostet dann 5 EUR inkl. Raki aus der 2l-Colaflasche. Ein paar Bilder mehr hierzu:

Alpanien

Nach dem Andocken werden wir in einem Minibus nach Valbona gekarrt. Valbona ist der Anlaufpunkt in den albanischen Alpen. Das Wetter ist perfekt: warm, klarer Himmel, in der Nacht sieht man die Milchstrasse. Die Community hier ist eng und überschaubar. Es gibt vielleicht 20 Häuser, die Wirte sind gleichzeitig die Betreuer der Wanderwege, sie ziehen die Spuren, sie malen die Wegweiser und Karten händisch. Wir, insgesamt 8 großteils Deutschsprachige, die zufällig zur selben Zeit am selben Ort ankamen, sind hier so ziemlich die einzigen Besucher. Die Landschaft ist mit einer Mischung aus verwunschenen Wäldern mit kleinen Wasserfällen, kalkigen Bergwipfeln, einer natürlich pittoresken Agglomeration und der bereits einsetzenden Laubfärbung wunderschön.

Albanien war zu Zeiten des stalinistischen Strebers Enver Hoxha das Nordkorea Europas. In seiner Paranoia wurden hunderttausende Bunker über ganz Albanien verstreut. Lustigerweise fallen mir davon nur ganz wenige auf.

Jedenfalls, die albanischen Alpen. Der Klassiker ist hier die Überquerung eines Passes (1000 Höhenmeter Unterschied) und der Abstieg nach Theth, wo 1x täglich irgendwann ein Minibus zurück in die Zivilisation fährt. Die Wanderung ist der landschaftliche Höhepunkt meiner bisherigen Reise. Ausgedehnte Impressionen:

1000 Fenster und Mülldeponien

Vergleichsweise problemlos, denn im Norden gibt es halbwegs Strassen, arbeite ich mich ins Zentrum des Landes ins bereits erwähnte Berati vor, das aufgrund seiner ottomanischen Architektur als Stadt der 1000 Fenster bekannt ist.

Dagegen steht die pseudoklassizistische Universität (rechts im Bild) in ihrem überdimensionierten Prunk völlig verloren auf der grünen Wiese herum. Aber klar auch, dass das mein Faible für bauliche Klogriffe befeuert:

Wie ausnahmslos jede balkanische Stadt abseits der Küste wurde hier in ein Tal hineingebaut. Hier gibt es neben einer sehr großen, historisch ausgezeichnet erhaltenen Zitadelle, die nicht von Souvenirläden ausgehöhlt ist, weil sie noch immer bewohnt wird, ein kleines mittelalterliches Ensemble, anhand dessen sich ein großes Problem Albaniens illustrieren lässt: Es ist schmutzig und ungepflegt hier.

Diese Moschee ist jedenfalls UNESCO-geschützt. Auch an den Hängen der Zitadelle findet man an jeder geeigneten Stelle eine illegale Mülldeponie (z.B. roter Punkt unterhalb der Kirche) und verstreute Glasscherben:

Ich weiche in die unbebauten Hügel aus, wo die Hirten ihre Ziegen hinauftreiben und mit mir einen albanischen Dialog zu entfachen versuchen, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Die Tiere sind allesamt etwas größer als gewohnt, weil hier das Essen so günstig ist.

Das Forum Romanum kann einpacken

Nach der Horrorfahrt bin ich dann in Saranda, einer größeren der vielen Küstenorte, die im Sommer wohl ein wenig boomen, worauf die vergleichsweise ausgebaute Touristeninfrastruktur Hinweise liefert.

Es regnet hier stark und viel, weswegen sich nur ein Ausflug ins nahe gelegene Butrint, die wichtigste archäologische Stätte des Balkans, wie die Albaner sagen, ausgeht. Nicht nur handelt es sich hier um eine riesige, über Jahrtausende besiedelte Stätte im vergleichsweise gutem Zustand. Sie ist auch von einem sumpfigen Nationalpark umgeben.

Und natürlich bin ich so ziemlich der einzige Besucher dieses großen Areals, was ja die halbe Miete ist, wenn man sich alte Fundamente ansieht. Das Forum Romanum kann einpacken.

Fazit zu Albanien: Ich blieb länger als geplant und es war dennoch zu kurz. Das Land ist im Vergleich zum Rest des Balkans noch ziemlich wild, das Vorankommen gestaltet sich mühsam, weil es keine durchgehend asphaltierten Straßen gibt. Die Mühsal bedeutet aber auch, dass sich die Touristen in Grenzen halten, wodurch auch die Preise lokal gehalten werden, welch Balsam für meine Geldbörse. Zu sehen gibt es jedenfalls weit mehr als ich geschafft habe.