ostkarten

Auf dem Papier hat dieses winzige Land so viel zu bieten: einen Fjord, 300km Küste, den zweittiefsten Canyon der Welt, mehrere historische Städte, Bergregionen, Serpentinen und den Euro.

Der Fjord

Ich bin dementsprechend sehr gespannt und dementsprechend werden auch meine Erwartungen ein wenig zurechtgerückt, als ich in Kotor ankomme, DER Stadt am Fjord, was auch immer ein Fjord sein soll. Kotor ist im Verhältnis zu Dubrovnik um einiges kleiner und die historische Masse weniger spektakulär als im hochglanzpolierten südkroatischen Touristenmagnet. Und auch hier halten Kreuzfahrtschiffe auf dem Weg nach Dubrovnik (umgekehrt würde es aus dramaturgischer Sicht keinen Sinn ergeben), nur halt weit weniger. Kotor gilt wie die gesamte montenegrinische Küste als Partyzone, im Sommer steppt hier (vor allem der rote) Bär, aber es hat sich für dieses Jahr längst ausgetanzt, es ist günstig und am Abend, wenn die vielen Tagestouristen das Weite suchen, geradezu entleert und sehr gemütlich flanierbar.

Reizvoller als die Altstadt selbst ist hier die unmittelbare Umgebung. Kotor wurde am Fuße eines Berges gebaut, und um sich von Einfällen in den Rücken zu schützen, wurde am Berggrat eine Burg samt ausladender Mauern errichtet, was noch halbwegs erhalten ist.

Am Abend werden die Ruinen nett beleuchtet und man schafft dadurch ein ungewöhnliches Ensemble fürs Auge.

Den Fjord kann man sich hier als eine Art Salzkammergut vorstellen, halt mit direkter Anbindung an die Adria. Neben Kotor gibt es noch einige besuchenswerte Dörfer und insgesamt ist das ein schönes Gebiet für Radausflüge. In der Nähe liegt etwa Perast, ein verschlafener Ort mit zwei künstlichen Kircheninseln in der Bucht.

Hier ist nur was los, wenn die Touristenbusse für 15 Minuten anhalten und die Insassen eine 5 minütige Bootstour unternehmen, die rund um eine der Inseln führt, ein relativ brotloses Standardprogramm, wie ich finde.

Die Küste

Auf meinem Balkantrip passe ich mich dem Busfahrplan an und werde zum notorischen Frühaufsteher – oder ist es doch mein fortgeschrittenes Alter, das sich mit zunehmender seniler Bettflucht bemerkbar macht? Diesbezüglich ist Kotor extrem. Nicht wirklich geplant wache ich auf einmal um 04:30 auf, und weil ich schon mal wach bin, nehme ich den ersten Bus um 05:00 in Richtung Meeresküste nach Budva. Auch hier gibt es eine kleine, durchaus nette Altstadt, die von einer Korona aus Hotelneubauten verschandelt wird.

Stärker als woanders ist man am russischen Touristen ausgerichtet.

In der Nähe: Sveti Stefan, ein bereits vor Jahrzehnten aufgekauftes Fischerdorf, das bereits mehrere Phasen der Superexlusivhotellerie hinter sich gebracht hat und aktuell im Investorenvakuum zu schweben scheint.

Ein letzter Eindruck von der Küste: Ulcinj ganz im Süden ist eigentlich eine albanische Stadt (dementsprechend günstig), die touristisch noch etwas unterentwickelt ist. Hier findet man die übliche Ausstattung eines montenegrinischen Küstenortes: ummauerte Altstadt im Eck, Strände, Hotels und ungschamige Katzen. Lustigerweise auch eine Moschee direkt am Strand.

Flucht in die Berge

Die Küste ist mir dann doch ein wenig zu wenig, also flüchte ich mich in die Berge. Im für Nichtslawen wenig vorteilhaft benannten Zabljak schlage ich meine Operationsbasis auf und unternehme Strafexpeditionen in die unmittelbare Umgebung des Durmitor Nationalparks. Das Wetter ist dabei so unvorteilhaft, dass der Besitzer nach Monaten aus Frust wieder mit dem Rauchen anfängt. Denn freilich kommt die Schönheit dieser Gegend erst richtig mit maximaler Sichtweite zum Vorschein: Bergkämme, sanfte braungrüne Highlands, Wiesen, zig Gletscherseen, ein asphaltiertes Strassennetz, das man sehr gut für Radpartien nutzen kann – und nur wenige Touristen. Aus Zeitgründen unternehme ich nur einen Bruchteil dessen, was man hier machen kann, neben dem viel zu kurzen Aufenthalt in Bosnien das zweite große Versäumnis meiner Reise.

Der Tara-Canyon mit der gleich benannten Brücke ist sehr tief und sehr breit. Man raftet und ziplinet hier. Das Potenzial der Gegend ist insbesondere für Extremsport wie Basejumpen oder Bungee immens, aber Korruption schreckt die Investoren ab. Eine ortsbekannte Anekdote: Eine britische Firma bot Bungeejumping an, der Laden brummte. Nach einer feindlichen Übernahme durch Montenegriner ohne jegliches Know-how gab es binnen 6 Tagen 3 Tote und die Regierung sperrte dann alles zu.