ostkarten

Nach einer Nachtbusfahrt, die ich großteils auf dem Klo verbracht habe, lande ich im nördlichsten Norden von Vietnam. Ich sieche die nächsten zwei Nächte in einem Zimmer herum, das nur von einer Heizdecke gewärmt wird, und sehe meinem Atem beim Kondensieren zu. Ich werde bis zuletzt nicht mit Vietnam warm werden.

Moses und ein großer, penetranter Markt

Davor, in Hanoi, treffe ich mal wieder meinen israelischen Sitznachbarn vom Flugzeug, der Moses heißt, Ex-Mossad-Agent war (war?) und darüber nicht sprechen darf. Moses, sagte ich, das ist leicht zu merken. Ja, das sagen alle, sagte Moses. Wie immer bei Moses, sehe ich mich sofort einer kritischen Befragung ausgesetzt, manche Gewohnheit kann man einfach nicht ablegen. Wo wohnst du? Wohin fährst du? Mit welchem Bus? Wie viel hast du bezahlt? Was? Wieso? Wann? Warst du heute auf dem Markt? Welcher Markt, frage ich. Ganz Hanoi ist doch ein einziger Markt, wo man dir die Motorradfahrt, die Drogen, die Frauen ungefragt und unablässig verkaufen möchte. Dazwischen: Bäuerinnen mit lustigen Hüten, die ein Nein nicht als Antwort zu akzeptieren gewillt sind. Damit komme ich aber gut zurecht, ich bin ein begnadeter Ignorierer, Moses. Sprach ich und klinkte mich aus diesem Waterboarding aus.

Ich fahre quasi vom Norden in den Süden. Der Norden ist vor allem mal: staubig. Die berühmten bizarren Karstformationen, ob im Wasser (Halong-Bucht) oder im Reisfeld (trockene Halong-Bucht), wirken nicht so, wie sie wohl zu einer anderen Jahreszeit wirken und sind darüber hinaus touristisch totgefischt. In keinem anderen Land wird man so sehr ins Backpacker-Korsett gepresst wie in Vietnam, wo man aufgrund der geographischen Gegebenheiten nicht wirklich nach rechts oder links kann. Und in dieser Form isoliert wird man ständig mit billigen, paketierten Produkten penetriert, hat dabei aber öfter als woanders das Gefühl, nicht wirklich willkommen zu sein. Der Küchenpsychologe in mir sagt: Verständlich, wenn man sich die junge, von französischen und amerikanischen Kriegsverbrechen geprägte, Geschichte des Landes vor Augen führt.

Potjomkins Werk und Disneys Beitrag

Ich arbeite mich in die Mitte des Landes vor, dort, wo sich die nordvietnamesische Wetterfront unaufhörlich am Wolkenpass abregnet. Unten drunter: Die „berühmte“ Zitadelle von Hue, ein riesiges Potemkinsches Dorf, eine ungepflegte Ruine. Die Kaisergräber im Umland der Stadt dagegen sind vergleichsweise und trotz Dauerregens spannend, da von den jeweiligen Herrschern architektonisch vielfältig gestaltet. Ich setze ins trockene Hoi An über, ein im Kern perfekt erhaltenes Fischerdorf, einer dieser Orte, die nur für den Tourismus existieren. Es ist die einzige Stadt in Vietnam, wo die Mofas, DAS Fortbewegungsmittel im Land, anhalten, wenn du die Straße übersetzt – so sehr schätzt man den Besucher. Aber vor lauter Souvenirs, Schneidereien und bunten Lampenschirmen sieht man das eigentliche Dorf nicht, die Authentizität ist längst einem Disneyland für Erwachsene gewichen und man fühlt sich durch die Reihen von Läden an Konzepte wie das Designer Outlet im österreichischen Parndorf (= Gucciläden in Gründerzeitneubauten) erinnert.

Spätestens hier ziehe ich mein Fazit über Vietnam und damit auch die Konsequenz, meinen Besuch abzukürzen. Nach zwei Tagen in Ho Chi Minh Stadt, ca. zwei zu viel, verändere ich meine Reiseroute zugunsten eines Landes, das ich eigentlich nicht auf der Rechnung hatte: die Philippinen.