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Bangladesh hat zweifellos einen miesen Klang wie Nicaragua, Haiti oder Somalia, Staaten, die sich irgendwann einmal als konstitutionelle Katastrophen in die öffentliche Wahrnehmung eingebrannt haben. Das Land ist massivst überbevölkert und durch die Topographie bedingt quasi 8 Monate im Jahr unter Wasser. Der Nationwerdung 1971 ging ein aufs äußerste brutal geführter Bürgerkrieg voraus, in dem die Streitkräfte des heutigen Pakistan in wenigen Monaten Millionen abgeschlachtet und Abermillionen vertrieben haben. Das fand damals auch internationale Resonanz.

Eine Skizze von Bangladesh: Die Megapolis Dhaka befindet sich im Zentrum des Landes. Im Nordosten gibt es Teeplantagen, im Südosten gibt es den längsten Strand der Welt, im Südwesten den größten Mangrovenwald der Welt (was auch immer das ist), im Nordwesten einige Tempelanlagen. Von all dem sehe ich nur wenig, weil ich meinen Besuch routiniert in den Sand setze.

Dhaka, wo ich rumgammele

Dhaka ist eine Stadt, in der man sich nicht viel aufhalten sollte, sagen alle. Der Norden ist moderner, im Süden ist der Fluss, ein paar Sehenswürdigkeiten und die Slums. Überall: Smog. Die ersten zwei Tage suche ich nach den Sehenswürdigkeiten, was aufgrund der wirren Gassenarchitektur, durch die sich 600.000 Rickshahs zwängen, erst von Erfolg gekrönt wird, als ich mir mobiles Internet besorge, um mich von google maps unterstützen zu lassen. Mobiles Internet ist hier überraschend schnell.

Ein paar Straßenszenen der Altstadt:

Der bevorstehende Nationalfeiertag (= Befreiungstag von Pakistan) wirft seine Schatten in Form von vielen grünen Nationalfahnen voraus:

Vor dem Internet schaffe ich es immerhin zum Fluss, wo die Slums sind und die Müllproblematik besonders ins Naserl sticht. Nach der Slummeile gibt es Richtung Norden dann die Märkte mit vielen Fliegen, dann die Märkte ohne Fliegen und dann die verhältnismäßige Zivilisation, wo Bankomaten sogar meine Karte akzeptieren.

Am Fluss. Hier dürfte wohl Elektroschrott sortiert werden. Rezyklierung ist in Bangladesh ein großes Thema. Im Südosten des Landes z.B. werden unter gefährlichen Bedingungen riesige Schiffe ausgeweidet, ein Thema für viele NGOs.

Zubauten in den Slums. Feuerpolizeilich wohl nicht genehmigt:

Am Hafen werde ich angesprochen, ob ich einen Bootsausflug machen möchte, und wieso auch nicht, ich habe ja nichts vor. Mein Guide, der eigentlich für ein Fährunternehmen arbeitet, lächelt, er wird sich heute ordentlich dazuverdienen:

Und ja. Unversehens werde ich in die Industrieslums am Südufer geführt. Da wurde wohl etwas „missverstanden“. Ich sehe also Behausungen, Miniwerften und -textilfabriken.

Das Ganze ist mir unangenehm, da mich dieser voyouristische Elendtourismus, wo man dann viele Photos mit lieben schwarzen Kindern schießt, anwidert. Aber irgendwie freuen sich alle, dass ich da bin.

Im Sweatshop bin ich Superstar:

Und hier werden Schiffsschrauben gegossen.

Im Übrigen ist tiefster Winter in Bangladesh (15-20 °C), da tragen auch Ziegen Pullover:

Viele meinen, der Verkehr Dhakas ist der schlimmste, den sie je erlebt haben. Ich komme damit recht gut zurecht nach Lehrjahren in Vietnam oder Teheran, wo ich junge Mütter mit Babies am Arm als lebende Schutzschilde mißbraucht habe, um die Straße zu queren. Dhaka? Piece of cake. Tag für Tag infiltriere ich die Gassen wie ein Agent, wie ein Herzchirurg schneide ich mich durch den Verkehrsinfarkt. Der Weg ist hier das Ziel, denn die Ziele sind nicht sonderlich attraktiv. Aber immerhin sind es Oasen im Wirrwarr der Metropole. Wie die armenische Kirche, einer der wenigen Orte, wo es Postkarten gibt:

Der pinke Palast steht majestätisch direkt am Fluss.

Weiße sind im untouristischen Bangladesh noch eine Attraktion, ich werde zu mehreren Selfies eingeladen. Meine Kooperationsbereitschaft ist sehr ausgeprägt, die Einheimischen bekommen ein positives Bild von Australien vermittelt. Fachgespräche über Cricket folgen unvermittelt, ich beschränke meine Inputs auf aktives Zuhören.

Noch begehrter als weiße Männer sind weiße Frauen:

Lalbagh Fort, ein riesiger Garten mit drei lachsfarbenen Gebäuden. Habe ich zwei Tage lang gesucht, was aufgrund der Größe dieses Areals – dritte Welt hin oder her – doch ein bisschen peinlich ist:

Im drittgrößten muslimischen Land der Welt (nach Bevölkerung und nach Indonesien und Pakistan) steht nur die zehntgrößte Moschee der Welt (die sich sichtlich an der Kaba’a orientiert):

Es gibt noch viele andere Moscheen in Dhaka, aber die schauen alle so ca. aus,…

…weswegen ich hier nicht weiter in die Tiefe gehe.

An die nächsten Tage in Dhaka habe ich nur dunkle Erinnerungen, da ich sie großteils in meinem fensterlosen Kammerl verbringe, das ich nur für Biryani und Süssigkeiten verlasse oder für einen Alibi-Ausflug ins Museum, keines von Weltformat, um halt was getan zu haben. Man kann nicht immer motiviert sein nach 4 Monaten des Unterwegsseins, und das recht komplizierte, mit Reizen geizende Bangladesh macht es einem einfach, unmotiviert zu werden. Außerdem habe ich Internet.

Immerhin: Der siebenschichtige Milchtee

An der Kippe zur Verkühlung schaffe ich es immerhin zu den Teeplantagen im Nordosten des Landes in Begleitung einer Australierin, die im Internet affichiert hat, woraufhin ich der Meinung war, dass es eine Schnapsidee wäre, Bangladesh als Frau alleine zu bereisen. In Srimangal kann man sich Räder ausleihen und die Plantagen besuchen, die nicht zu den spektakulärsten der Welt gehören (meint: da habe ich schon bessere gesehen), wiewohl zu den größten (laut Bangladesh).

Die Bäume in den Gärten wurden bewusst gesetzt, denn, wie uns ein kundiger Biologe im Research Center mitteilte: Teepflanzen benötigen 25% Schatten.

Weltberühmt (laut Bangladesh) ist der siebenschichtige Tee. Wobei Tee nur ein geringer Bestandteil des Cocktails ist, das großteils aus Milch und Zucker besteht. Der Purist in mir bleibt skeptisch.

Dazu gibt’s Mutters Mineral:

In der Nähe gibt es einen Nationalpark, wirklich nichts Besonderes, durch den der Zug fährt.

Obwohl es in hier kaum ausländische Touristen gibt, wurde bereits die Unsitte der Ausländerpreise eingeführt. „Wollt ihr die wenigen Touristen auch noch vertreiben?“ „Yes, sir!“ In Bangladesh ist Englisch nicht so weit verbreitet wie in Indien.

Hier noch eine Libelle, wie immer eine willkommene Poseurin (ich mag Libellen):

Sonntagsausflug nach Sonargoan

Nach drei Tagen des Sichdahinschleppens übersetze ich in die Phase des akuten Reizhustens und zeige mich renitent in Hinblick auf weiteres Sightseeing. Ich verbringe die letzten Tage wieder in Dhaka, diesmal in einem besseren Hotel mit heißer Dusche und tollem Restaurant (in Bangladesh kann man ausgezeichnet essen), eine Investition in meine Gesundheit.

Ein Ausflug in die Umgebung geht sich noch aus. Sonargoan, 15km außerhalb der Stadt, 90 Minuten Busfahrt. Hier gibt es eine Gasse mit verfallenen Kolonialbauten aus dem 19. Jahrhundert.

Das Potenzial des Ortes ist groß, aber die morbide Atmosphäre wird durch die Möchtegernguides gestört, die einem überallhin nachlaufen, irgendwas dahererzählen und denen man dann 2 USD gibt, damit sie endlich die Klappe halten. In Bangladesh gibt es nur wenig Schikane von Schleppern, aber auch kaum Tourismus, weswegen man dann doch im Brennpunkt von Belästigungen steht.